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19.07.2011, 11:27

Schule - Vorstufe der geschlossenen Anstalten

Zitat

Vorne neben dem Busfahrer sitzt das etwas altkluge und hypochondrische Mädchen, dass schon Stunden vor Erscheinen des Busses mir mitgeteilt hat, dass sie dort sitzen muss, weil ihr auf Reisen immer schlecht wird. Sie nimmt brav ihre Reisetabletten, isst nichts, trinkt Tee aus einer Thermoskanne und liest auch nicht, da sie stur auf die Straße schaut. Dabei hört sie ein Hörbuch von einem altmodischen Discman.

Parallel zu uns Lehrern sitzen die Streber, die Apfelschorle trinken, uns von ihrem Reiseproviant etwas anbietet und permanent das Gespräch suchen. Dagegen hilft: sich mit der Klassenlehrerin über den letzten Urlaub unterhalten oder schlafen.

Im vorderen Drittel sitzen die braven Schülerinnen, die sich unterhalten, Obstsäfte trinken, selbtgemachte Brote essen und sich gegenseitig Zöpfe flechten oder sich Test aus diversen brave-Mädchen-Magazinen vorlesen (bist du ein Herbst- oder Sommer-Typ…)

Ihnen gegenüber haben die intellektuellen Sonderlinge Platz genommen. Sie sondern sich von allen und jedem ab, sind in ihr Science-Fiction-Buch vertieft, essen und trinken nichts.

Dann folgen ein paar leere Reihen…

Gegenüber der Toilette ist traditionell der Platz der Opfer. Meist sind sie dick oder modisch nicht auf dem aktuellen Stand gekleidet, wollen aber unbedingt zu den Beliebten dazugehören. Sie erfüllen eine wesentliche Sozial-Funktion, da sie Cola und Chips bei sich haben und diese aber auch gerne ihre elektronischen Gadgets in die Reihen hinter sich verleihen, was ihnen das Gefühl gibt, von den Coolen beachtet zu werden und dabei nicht bemerken, dass sie von diesen nur benutzt werden. Das Ziel hämischer Sprüche, derber Streiche und verschiedener Wurfobjekte zu werden, verwechseln sie mit Anerkennung.

Das hintere Dirttel ab der zweiten Türe ist das Territorium der Alphatiere, die natürlich in der letzten Reihe sitzen und von dort ihren Hofstaat kontrollieren. Hier ist ein Ghettoblaster mit angesagter Musik dabei, alkoholische Mischgetränke und natürlich der obligate an der Raststätte erworbene Whopper. Es wird nicht gelesen, stattdessen die an der Tankstelle erworbenen Heftchen konsumiert. 80% der im Bus vernommenen nervigen Lautstärke stammt aus den letzten 20% der Reihen, was man vielleicht mal im Mathematikunterricht als Beispiel für das Paretoprinzip durchnehmen sollte…



Zitat

Daran dachte ich mit Freude zurück, als ich heute mit zwei Dutzend Gymnasiasten und ihrer Klassenlehrerin eine gefühlte halbe Ewigkeit quer durch die Republik in einem Bus gondelte. Dort schon fingen die üblichen Rangeleien an, wer neben wem sitzen darf, wessen Musik gespielt wird und welche nicht, welche Snacks und Magazine es gibt, wer mit wem auf ein Zimmer geht, usw. etc.

Nach dem „Einchecken“ in einer Unterkunft, die durchaus den Charme eines Hotels in Weitfortistan versprüht, gab es für die 14jähigen nur zwei Fragen, die von existentieller Bedeutung sind: „Gibt es in diesem Kaff auch ein McDonalds?“ und „Wo ist die nächste Tankstelle?„. Ich hätte eher Beschwerden über das nicht vorhandene WLAN-Netz erwartet, aber nein, mit ihren Smartphones sind die Schüler ja quasi daueronline, um minutiös ihr Leben in Facebook oder diversen anderen Web2.0-VZ’s abzubilden. Stattdessen setzten sich die Abenteurer in Dreiergrüppchen in Bewegung, um mit leeren Rucksäcken loszuziehen und mit gefüllten wiederzukommen. Müßig zu erraten, dass Flüssigkeiten gekauft wurden, die ob ihrer Menge und Brennbarkeit keine Flughafen-Sicherheitskontrolle passieren würden. Jedoch ließ die Ansage der Klassenlehrerin, dass es nachher einen Zimmerrundgang geben würde, versprengte Grüppchen in einen benachbarten Wald verschwinden, aus dem sie nach kurzer Zeit mit leeren Rucksäcken wiederkamen. Ich genehmigte mir einen Spaß und regte eine Nachtwanderung an, die auf allgemeine Begeisterung stießt – wohl um die Schätze wieder zu bergen.

Mein Part als Betreuender bestand nach dem Abendessen zunächst darin, die zum Haus gehörende Bundeskegelbahn vor ihrer völligen Demolierung zu bewahren. Wider Erwarten überlebte die Bahn und die Schüler waren so dankbar, dass es hier (wenn schon kein McDonalds) wenigstens „Bowling“ gibt. Nunja…

Nachdem ich mich um 22:30 Uhr in die dritte Etage zu einer Feldstudie in Sachen „Bettruhe“ begeben hatte, trafen die Klassenlehrerin und ich im Gemeinschaftsraum mit zwei weiteren Lehrern einer 10. Klasse, die diese Herberge für ihre „religiöse Freizeit“ ausgewählt haben, in einer geselligen Runde zusammen und teilten unsere Erlebnisse:

Laura schläft auf dem Flur, denn Anna hat Laura ausgesperrt, weil Laura sich angeblich an Annas Deo vergriffen hat.

Bei Lukas, Felix, Alexander und Jonas stellte ich Jetons im Wert von 10.000 Euro sicher und beendete eine Pokerrunde.

Lena und Katharina reden seit Stunden auf Jasmin ein, die sich tierisch in Frederik verknallt hat, der aber nix von Jasmin wissen will, schließlich hätte er Jasmin nicht einmal seit der Ankunft angeschaut.

Julian und Timo bewachen Frederik, der unter einer kalten Dusche stehen muss, um „auszunüchtern“, nachdem er aus was für Gründen auch immer seine Tankstelleneinkäufe lieber komplett ausgetrunken hatte, statt sie im Wald zu verstecken.

Sebastian versucht sich erneut in die Etage der Mädchen zu schleichen, zumindest behauptet Timo dies, der versucht ihn bei mir zu verpfeifen, weil er ebenfalls auf Caro scharf sei.

Erkenntnis des Tages: Zu meinen eigenen Schulzeiten war es weder besser noch schlechter.


The Meteor

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2

20.07.2011, 00:12

Haha, die siebte/achte Klasse auf den Punkt!!
Scheint kein Fake zu sein, das ist 100% echt und ich finds nochmals geil, dass ich NICHT in so einer Klasse war.
War aber in unserer Parallelklasse exakt so und bei uns natürlich auch, aber in durchaus abgeschwächter Form.
Find ich sehr geil, die Betreuer-Sicht zu sehen :D

Mayst thou thy peace discov'r

3

20.07.2011, 06:32

Oh ja, wie bekannt das doch alles ist.
Die Sichtweise ist äußerst interessant, aber wahr.
Das meiste von dem, was zitiert wurde ist einfach treffend und denke mal auch zeitlos. Perior, ist dies aus einem Buch zitiert?

KHM

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4

20.07.2011, 11:15

Witzig wie zutreffend das ist. Ich erkenne alles davon wieder und erinnere mich selbst noch zu gut daran wie ich den ganzen Alk geext hatte, weil ich ihn nicht verstecken wollte. Ich dachte anschließend ich würde sterben. Mir war so schlecht, das gabs nicht. Erstaunlicherweise hatte ich allerdings keinen Kater am nächsten Morgen. xD

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I sing for my people, I sing for my friends
I sing for justice, so that the world finally ends
I sing for my father who rests high above
and also for my mother who I deeply love
But as I sing I wonder, what is it for?
when there is no one who sings for me anymore...


-Hanae Ouma, Princess of thorns

5

29.07.2011, 20:07

Perior, ist dies aus einem Buch zitiert?


Der Text nicht, aber ein anderer Teil lässt sich anscheinend in einem Buch finden. Diesen und andere Texte findet man im Blog einer Lehrerin, aber frag mich nicht mehr, wie der hieß, weiß ich nicht mehr.


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