Zitat
Wir fordern, daß der Deutsche Bundestag die Änderung des Telemediengesetzes nach dem Gesetzentwurf des Bundeskabinetts vom 22.4.09 ablehnt. Wir halten das geplante Vorgehen, Internetseiten vom BKA indizieren & von den Providern sperren zu lassen, für undurchsichtig & unkontrollierbar, da die "Sperrlisten" weder einsehbar sind noch genau festgelegt ist, nach welchen Kriterien Webseiten auf die Liste gesetzt werden. Wir sehen darin eine Gefährdung des Grundrechtes auf Informationsfreiheit.
Begründung
Das vornehmliche Ziel – Kinder zu schützen und sowohl ihren Mißbrauch, als auch die Verbreitung von Kinderpornografie, zu verhindern stellen wir dabei absolut nicht in Frage – im Gegenteil, es ist in unser aller Interesse. Dass die im Vorhaben vorgesehenen Maßnahmen dafür denkbar ungeeignet sind, wurde an vielen Stellen offengelegt und von Experten aus den unterschiedlichsten Bereichen mehrfach bestätigt. Eine Sperrung von Internetseiten hat so gut wie keinen nachweisbaren Einfluß auf die körperliche und seelische Unversehrtheit mißbrauchter Kinder.
Dieser Beitrag wurde bereits 1 mal editiert, zuletzt von »Perior« (09.05.2009, 13:09)
Quelle: http://diegesellschafter.de/tagebuch/ind…d6138fcb6f74e4aZitat
Am vorvergangenen Sonntag war Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen bei Anne Will in der ARD zu Gast und ließ sich lobend über »bürgerschaftliches Engagement« aus. So verliebt war sie in dieses Wörterpaar, dass sie es in 60 Minuten ganze elf Mal in den Mund nahm, wie ein ironischer Zusammenschnitt der Sendung auf Youtube zeigt. Jenseits des Sonntagabend-Talks sind es derzeit ausgerechnet die vielgelobten engagierten Bürger, die von der Leyen besonders viel Probleme bereiten: Fast 90.000 von ihnen unterzeichneten bislang die elektronische Petition gegen die geplanten Sperrungen von Kinderporno-Seiten im Internet, obendrein sprachen sich in einer Erklärung 420 »Eltern mit IT-Berufen« gegen von der Leyens Pläne aus. Bereits im April hatte sich der Verein »Mogis« (»MissbrauchsOpfer gegen InternetSperren«) gegründet, deren Sprecher Christian Bahls, selbst ein Opfer von Kindesmissbrauch, gegenüber der ZEIT sagte: »Ursula von der Leyens Kampagne gegen Kinderpornografie nutzt nichts und macht mich erneut zum Opfer«.
All diese Bürger als Wirrköpfe oder gar als Päderasten zu diffamieren, wie es Unionspolitiker anfangs noch versuchten, wird dem Familienministerium und dem mitstreitenden Wirschaftsminister von Guttenberg (der in einem Tagesschau-Interview Unterzeichnern der Petition pauschal Zivilisiertheit absprach) kaum gelingen. Sie wird sich der inhaltlichen Kritik an ihren Plänen stellen müssen – und die hat es in sich: Fachleute bezweifeln öffentlich die Horrorzahlen, die der Ministerin als Begründung für ihr Vorhaben dienen, Länder wie Schweden, in denen Internet-Sperren bereits implementiert sind, haben deren Wirkungslosigkeit längst eingestanden und Kenner der Szene verweisen darauf, dass kinderpornografische Medien im öffentlich zugänglichen Web quasi überhaupt nicht vorkommen, sondern in geschlossenen Filesharing-Netzen oder auf dem Postweg getauscht werden.
Nun ist ein wirkungsloses Gesetz zunächst nichts Schlimmes und so mancher mag geneigt sein, der »Wenn nur einem Kind geholfen wird«-Argumentation der Ministerin zuzustimmen. Allerdings: Das Sperrgesetz hat weit größere Nebenwirkungen, als diese vage Hoffnung auf homöopathische Wirkung jemals rechtfertigen könnte. Laut aktueller Planung sollen Internet-Zugangsprovider künftig den Zugriff auf Domains verweigern, die auf einer vom Bundeskriminalamt erstellten und ansonsten geheimen Schwarzen Liste stehen. Wessen Website warum auf dieser Liste landet? Streng geheim! Eine Kontrolle der Behörde? Nicht vorgesehen! Einspruchsmöglichkeit des Webseitenbetreibers? Pustekuchen! Jenseits jeglicher demokratischen Legitimation und Kontrollmöglichkeit, unter Missachtung des grundgesetzlichen Gebots der Gewaltenteilung schafft von der Leyens Ministerium hier eine Zensur-Infrastruktur, wie sie sich die DDR-Führung nur hätte wünschen können. Auch wenn die Ministerin noch so oft betont, die Sperren richteten sich »derzeit« ausschließlich gegen kinderpornografische Angebote: Die Interessenten an einer Erweiterung der Blockadeautomatik stehen bereits Schlange – mit eigenen Sperrlisten unter den Armen. Die landeseigenen Lotteriegesellschaften etwa machen keinen Hehl aus ihrem Wunsch, ausländische Glücksspiel-Angebote vom Netz abzuklemmen, und auch der Musikindustrie-Lobbyist Dieter Gorny, der Dateitauschern am liebsten das Internet ganz abstellen würde, dürfte bereits mit den Hufen scharren. Man muss kein Verschwörungstheoretiker sein, um zu ahnen, wer noch einen vermeintlich legitimen Anspruch auf Sperrung unliebsamer Websites anmelden wird: Markeninhaber etwa, die den Handel mit Plagiaten unterbinden wollen, Moralapostel, die sich auch an legaler Pornografie stören oder Institutionen, die schlicht keinen Spaß verstehen und sich nicht veralbern lassen wollen.
Das ist keine Schwarzmalerei: Erst in der letzten Woche verschwand eine Satire-Seite aus dem deutschen Web, die sich kritisch mit dem Thema Internet-Sperren auseinandersetzte. Laut Angaben des Betreibers hatte das Innenministerium den Webhoster um Entfernung der Persiflage »gebeten«. Ist das Zensursystem erstmal in Funktion, sind solche Umwege nicht mehr nötig: eine kleine »Amtshilfe« des BKA auf dem kurzen Dienstweg hätte ausgereicht. Was Netz-affine Menschen obendrein auf die Palme bringt: Statt ein monströses Sperrsystem in das deutsche Internet zu implementieren, wäre ein direktes Vorgehen gegen die Hoster kinderpornografischer Angebote wesentlich effektiver. Der Organisation Carechild gelang es beispielsweise binnen 48 Stunden 16 von 20 kinderpornografischen Angeboten aus dem Netz zu verbannen – durch den Versand simpler E-Mails an die jeweiligen Webhoster (bei den übrigen vier Angeboten versicherten die Provider, es lägen Altersnachweise über die Volljährigkeit der abgebildeten Personen vor). Wenn ein kleiner Verein ohne die personellen Ressourcen des BKA und ganz ohne Verbindungen zu Euro- oder Interpol auf diesem einfachen Wege derartige Erfolge verbuchen kann, liegt die Frage nahe, ob dieses merkwürdige Sperrgesetz nun ein aus Ignoranz heraus geborener Versuch mit guter Absicht ist, oder ein vermeintlich günstiger Wahlkampfschlager, oder ob hier politisch der Missbrauch von Kindern missbraucht wird, um einen Ausschalter für unliebsame Inhalte ins deutsche Internet einzubauen.