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06.12.2012, 07:50

Die stummen Helden

Aus vielen RPGs kennt man sie: Die stummen Helden, die bis auf ein paar mehr oder weniger einflussreiche Antwortmöglichkeiten kaum am aktiven Geschehen des Spiels teilnehmen und meist auch keinen Namen haben.

Frage ist nun, was ihr von solchen Helden haltet. Ich höre oft, dass viele Spieler es besser finden, sich selbst auf den Hauptcharakter zu projizieren zu können.

Wirkt bei mir beispielsweise überhaupt nicht, weil die meisten Mains einfach männlich sind und ich eben weiblich bin - somit kann ich schonmal nicht mich selbst in den MC denken bzw macht es für mich dann auch keinen Unterschied mehr, ob der MC eine charakterlose Hülle ist, dem ich einen Charakter geben muss oder ob der Charakter gleich eine eigene Persönlichkeit mitbringt. Was bringt's mir, wenn ich als stummer MC genug Bewegungsfreiheit habe, um den ganzen weibl. Cast anzugraben? Ich hab da überhaupt kein Interesse dran.

Was für eine große Auswirkung allein das Geschlecht des MCs auf mich hat, habe ich bei Persona 3 Portable gemerkt. Als Mädchen war ich gern stumm und habe alle Kerle gedatet, die mir über den Weg liefen. >////< Und Yukari war nett zu mir - ich mochte sie gleich viel lieber.

Wahrscheinlich empfinden das auch viele weibliche Spieler anders als ich. Für mich persönlich macht es einfach wenig Sinn, den MC als Platzhalter für die Persönlichkeit des Spielers zu lassen, wenn ich mich da eh nicht 100% raufprojizieren kann.

Huh, bevor das jetzt zu sehr in Richtung: "Buhuuuu, wieso sind alle MCs immer männlich????" geht: Themenwechsel. :3

Andersrum ist auch nicht so, dass ich mich NICHT in einen Charakter reinversetzen kann, nur weil er eine ganz andere Persönlichkeit hat als ich. Im Gegenteil, mir fällt es dann sogar leichter, Gefühle für den Main zu entwickeln, wenn ich seine Geschichte und seinen Charakter kenne.

Und ich habe auch kein Interesse daran, den Helden nach meinen Vorstellungen zu gestalten - ihn beispielsweise besonders rowdy-mäßig oder prollig sein zu lassen etc. (Siehe weiter unten: Hat ja meist eh nur geringe Auswirkungen und was nutzt mir das, wenn er eh nie spricht?)

Außerdem haben die Auswahlmöglichkeiten, die man in Dialogen hat, meist eh recht wenig Auswirkungen, was soll das also.
Gerade hier sehe ich eigentlich das Potenzial von stummen Helden. Man könnte durch die Auswahlmöglichkeiten den Verlauf der Geschichte sowie die Beziehungen, die der MC zu seinen Freunden/Feinden hat und auch das, was andere Charaktere über den MC sagen beeinflussen. Es wäre ein tolles Konzept für ein Spiel. Aber allermeistens wird dieses Potenzial dann doch eher mit Füßen getreten. Immer wenn ich denke: Yay, du hast hier zwei ganz verschiedene Auswahlmöglichkeiten, es liegt in deiner Hand, läuft es eh darauf hinaus, dass die anwesenden Partymitglieder die Entscheidung dann korrigieren, sobald man "die falsche" Entscheidung trifft. Erinnere mich daran, dass man in Suikoden V 4-5 mal eindeutig sagen muss, dass man WIRKLICH König werden will, um dieses lausige Bad Ending zu sehen.
(Heißt natürlich nicht, dass es nicht eventuell Spiele gibt, die dieses Konzept sehr gut umsetzen. Für Empfehlungen bin ich immer offen. :3)

Muss sagen, dass es auf mich einfach ein wenig albern wirkt, wie diese stummen Helden dann gegen Ende der Haupthandlung meist als die charismat. Anführer ever gefeiert werden, obwohl sie eben einfach nur eine leere Hülle sind, auf die sich der Spieler projizieren kann/soll. Selbst wenn ich dem MC eine total polarisierende auffällige Persönlichkeit geben könnte - durch die dem MC fehlenden Kommunikationsmittel wird er trotzdem relativ blass bleiben.

Mich stört auch oft diese Namenssache. Wahrscheinlich funktioniert es in der japanischen Sprache viel besser bzw es klingt viel natürlicher, wenn man sich dort nicht direkt mit Namen anspricht, aber im englischen werden ganze Dialoge dadurch komisch, dass an Stellen, wo eben der Name des MCs angebracht wäre, eben immer nur his oder you oder irgendein dämlicher Spitzname steht. Einzig Suikoden V hat das ganz gut gelöst bekommen. Dort ist der MC der Prinz des Landes und alle sprechen ihn mit Prinz oder Highness an, was auch durchweg sehr natürlich klingt (außer wenn seine Eltern mit ihm reden, na ja... :/)
Noch dämliche finde ich es, wenn der Held einen richtigen Charakter/Stimme und alles hat, aber eben nur keinen Namen. So wie in FFX. Himmel, es ist wirklich nur ein Name - wenn man den Namen eingeben kann, wird "Tidus" doch sogar schon als Vorschlag gegeben. :/ Gleiches bei Suikoden Tierkreis. Diese ganze Namenssache ist natürlich ein Überbleibsel aus der Zeit, in der Spiele noch keine Sprachausgabe hatten und man flexibel einfach jeden x-beliebigen Namen in die Dialoge einfügen konnte. Aber wenn man Sprachausgabe hat, wäre es dann wirklich so ein großes Opfer auf die Namenswahl zu verzichten?

Stumme Helden bringen auch immer unweigerlich einen Charakter mit sich, der - weil halt der Held selbst nur berenzte Kommunikationsmöglichkeiten hat - so 'ne Art "Sprachrohr" des Helden ist und dann oft die Dinge sagt, die der MC als Anführer eigentlich jetzt sagen müsste etc. Fällt mir regelmäßig negativ auf. In Persona 3 wären das beispielsweise Junpei und Yukari, in Persona 4 Yosuke und später auch oft Naoto, in Suikoden V wäre es Lyon... Wenn mir eh immer jemand alles vorkaut, wieso dann so eine Pseudo-Freiheit vorgaukeln...?

Alles in allem kommt es mir so vor, als wären stumme Helden lediglich ein Resultat der Feigheit der Entwickler, dem Protagonisten selbst eine eigene Persönlichkeit zu geben - aus Angst, dass der MC bei den Spielern anecken könnte und sie das Spiel dann sofort weglegen, weil ihnen der MC nicht gefällt. (Wenn ich aber sehe, wie schnell Leute ein Spiel wegen solchen Nichtigkeiten weglegen ohne vielleicht mal auf Charakterentwicklung etc zu warten, kann ich es ihnen gar nicht mal so verübeln.)

Generell finde ich, dass in modernen RPGs stille Helden meist einfach Fehl am Platz wirken, während es in älteren RPGs noch etwas natürlicher wirkt.
Muss aber auch sagen, dass stille Helden in neueren RPGs meist eh eher die Ausnahme bilden.

lt;dr bzw für die ganz Faulen unter uns:
  • Stumme, namenlose Helden wirken in Spielen mit Sprachausgabe (noch) merkwürdig(er).
  • Als Mädchen ist es mir nicht möglich, den sogut wie immer männlichen MC genau nach meinem Vorbild zu gestalten. Ich habe zudem auch kein Interesse daran, den Helden irgendwie zu individualisieren usw - dazu bietet das Spiel meist auch gar nicht die Freiheit. Egal wie markant ich einen stummen Charakter auch gestalte - ein MC mit einer "vorgefertigten" Persönlichkeit wird trotzdem immer eine größere Auswirkung auf die Geschichte haben.
  • Stumme MCs bieten nur geringfügig mehr Freiraum - die Geschichte drückt den Spieler meist doch in eine bestimmte Richtung.
  • Das Potenzial/ die Vorteile von stummen Helden werden meist nur stiefmütterlich behandelt.
So, und jetzt empört euch über meine Ignoranz! LOS!
:nekocat:

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Vernell

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06.12.2012, 11:53

Das mit den stummen Figuren ist für mich ein zweischneidiges Schwert. Wie Pochama schon sagte sind viele der stummen Helden oftmals männlich, sodass es für eine Frau so gut wie nicht möglich ist, sich mit dieser Figur zu identifizieren.
Ich selbst brauche mich auch gar nicht in den Helden zu projezieren. Ich möchte eine Figur mit eigener Persönlichkeit! Ich möchte nicht mich selbst an die Stelle der Hauptfigur setzen, ich bin quasi lieber ein agierender oder führender Zuschauer. Wozu soll ich einer Figur, die im ganzen Spiel kein einziges Wort sagt, abgesehen von Kampfschreien, einen Namen geben? Das ist für mich unsinnig, weshalb sie dann oft so Namen wie "Kerl" oder "Backfisch" bekommen. Ich steh wie gesagt nicht all zu sehr auf persönlichkeitslose Hüllen.
Als Beispiel würde ich gerne Dragon Age Origins bennen. Der Hauptchar war stehts still und glotze einfach nur dusselig in der Gegend rum. Oh ein trauriger Moment, was macht der Char? Dusselig gucken. Mein Gott, dieser Schurke, wir müssen ihn bestrafen! -> Hauptchar guckt weiterhin dusselig. Man konnte dafür zwar viele verschiedene Dialogoptionen wählen die auch die Geschichte verändern, aber dadurch, dass die Figur immer gleich guckt geht da viel für mich verloren. Wäre es so schwer gewesen, der Hauptfigur auch eine Gesichtsmimik zu geben?
Gleiches bei White Knight Chronicles. Wobei man sagen muss, dass man sich dort nicht den Helden selbst erstellt, sondern einen Nebenchar. Der aber immer wie ein Fisch vor sich hin starrt! Egal, ob gerade etwas herzzereißendes oder schockierendes geschieht. Die Figur steht immer am Rand und guckt wie herp derp. Auch da, wo ist die Gesichtsmimik?
Damit ein stummer Held wirklich interessant wird für mich braucht es schon mehr. Dialogoptionen, die das Geschehen verändern und eine passende Gesichtsmimik. Ansonsten kann man mich damit nicht ködern.

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06.12.2012, 12:41

Ich kann stumme Helden kein Stück leiden und habe die Gewohnheit Spiele mit solchen Helden frühzeitig abzubrechen. Ich will Spiele spielen um Spaß zu haben und eine gute Story zu genießen. Und gute Stories sind für mich nunmal keine Mary Sues, wo ich mich selbst in die Story packen muss wie einer dieser einsamen kellerkinder, die sich dadurch awesome fühlen können. Keine Ahnung, vielleicht geilen sich andere Menschen dabei auf so zu tun als wären sie es tatsächlich gewesen, der die Welt gerettet haben, aber ich brauch sowas nicht. Ich hab Chars mit Persönlichkeit viel lieber. Chars, die ich entweder lieben oder hassen kann. Allemal besser als eine willenlose Marionette, die ich konstant führen muss. Ich kann mit so etwas keine Bindung aufbauen und habe dann auch keine Motivation den Char weiter zu bringen um sein Ziel zu erreichen.
Wenn ich mich als etwas sehen muss, dann lieber als so eine Art unsichtbarer Gott/Schutzengel, der den Main und seine Freunde unter die Arme greift um ihnen zu helfen vorwärts zu kommen. Niemals habe ich wirklich Interesse dran mich selbst irgendwo reinzuprojizieren. Wenn Chars aber Persönlichkeit haben und diese Persönlichkeit mit meiner übereinstimmt, finde ich solche Chars immer am besten, das muss ich zugeben. Ist allerdings immer noch nicht das gleiche wie stumme Helden zu spielen und sich selbst da rein zu stellen.

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4

06.12.2012, 18:04

Ich kann solche stummen Helden ebenfalls nicht leiden. Für mich zählt unter anderem bei einem guten Spiel, dass ich mich in den Helden einigermaßen gut hineinversetzen kann. Dies ist bei stummen Helden ja praktisch unmöglich, gerade wegen dieser eingeschräkten Entscheidungsfreiheit. Schließlich ist der Held ja in der Regel der Charakter in einem Videospiel, der die Geschichte vorantreibt und sie trägt. Und wenn der Held dabei nix zu sagen hat und generell auch so persönlichkeitslos rüberkommt, macht das auch kaum bis keinen Spaß.
Ein interessantes Beispiel für einen stummen Helden finde ich ja persönlich Isaac aus Golden Sun. Während er im ersten Spiel ein gutes Beispiel dafür abgab, tauchte er im Nachfolger wieder auf und hatte auf einmal deutlich mehr zu sagen als nur "..." oder "!!!", was aber eh daran lag, dass nun jemand anderes seinen Platz als Main eingenommen hatte und nun mehr oder weniger zweite Geige war.
Ich sehe im Grunde bei Spielen mit solchen Charakteren das Ganze ähnlich wie KHM. Im Hintergrund den unsichtbaren Hintermann, Gott, wasweißich spielen, um dem Helden und seiner Truppe in Not zu helfen.
Kurzum: Stumme Helden, stinklangweilig.

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5

07.12.2012, 23:52

Ich schließe mich dem allgemeinen Konsens an. Als Autor weiß ich nur zu gut, wie stark der Einfluss eines einzigen Chars auf eine Story sein kann. Damit die Story die gewünschte Handlung verläuft, muss man den Charakter auf Biegen und Brechen in seine Rolle quetschen. Als Spieler würde ich mich da doch sehr eingeschränkt fühlen, n Self Insert funktioniert so nicht.
Alternativ muss man dem Charakter die Möglichkeit geben, die Handlung zu verändern. Das bedeutet nur eine Menge an Aufwand und je freier der Spieler ist, desto schwieriger wird die ganze Sache. Es gibt (bisher) kein Spiel, dass eine bestehende Handlung mit Chars etc. bietet und diese Variable eines MC hat.
Den Zweck des sich-hinein-Versetzens erfüllen stumme Protas also nicht.

Ich hatte noch nie einen weiblichen stummen MC, außer im so ziemlich storylosen Monster Hunter und Gods Eater(da hat der MC zwei Sätze!). Das Geschlecht ist in puncto Hineinversetzen auch gar kein Problem, man kann sich auch in ausgearbeitete Charaktere des anderen Geschlechts hineinversetzen. FF X-2 etwa hatte "nur" drei spielbaren Damen und meines Wissens hat sich niemand darüber beschwert.

Als positives Beispiel – und die brauchen stumme Protas nunmal – führe ich Cipher aus Ace Combat Zero auf. Warum das bei ihm klappt?
Nun wir wissen nichts über ihn. Wir sehen ihn immer nur im Cockpit seines Flugzeugs. Außerdem entwickelt sich die Story – erzählt durch die Arbeiten eines Reporters an einem Artikel über den Krieg in dem Cipher gekämpft hat – zu einer Phantomjagd nach Cipher.
Dazu sind auch die anderen Charaktere interessant und große Themen wie Krieg, Gewalt und Schuld werden realistisch verarbeitet, sodass nicht die ganze Last auf dem Prota liegt.

Hier haben wir eine auf den Charakter zugeschnittene Handlung, wird also nichts mit Self-Insert.

Man kann auch mit dem stummen Prota spielen. Kleiner Spoiler zu Ace Combat 2:

Spoiler Spoiler

Da erfahren wir am Ende, dass unser stummer Held eine künstliche Intelligenz ist.